Ben Becker
Gästebuch
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Ben Becker

liest ernst haffners blutsbrüder

Review der Lesung in Aschaffenburg vom 05. märz 2015

Berlin von unten: Anfang der 30er Jahre lebten hier tausende Jugendliche auf der Straße. Zuflucht fanden sie in selbstorganisierten Cliquen. Davon erzählt der 1932 erschienene und kurz darauf verbotene Roman von Ernst Haffner.

Sie hungern, frieren, kämpfen. Und hoffen.
Anfang der 1930er Jahre leben in Berlin und anderen deutschen Großstädten tausende Jugendliche auf der Straße. Sie verdingen sich als Tagelöhner und Laufburschen, häufig führt ihr Weg sie in die Kriminalität oder Prostitution.
Zuflucht und soziale Wärme finden sie in selbstorganisierten Cliquen. In
stillgelegten Fabrikbaracken trifft man sich, trinkt, tanzt und pflegt einen
Lebensstil fernab der unerreichbaren bürgerlichen Gesellschaft. In diesem Milieu ist Ernst Haffners unter den Nazis verbotener und bei den Bücherverbrennungen öffentlich zerstörter Roman angesiedelt. Im Mittelpunkt stehen zwei aus Erziehungseinrichtungen geflüchtete Jugendliche und die Clique der Blutsbrüder, der sie sich nach ihrer Ankunft in Berlin anschließen. Erst glücklich, dort aufgenommen worden zu sein, erfahren sie bald, aus welchen Quellen das Geld stammt. Sie versuchen auszusteigen...

Ben Becker erweckt die große literarische Wiederentdeckung des Jahres fulminant und authentisch zum Leben.
Ernst Haffners Spur verliert sich mit der Machtergreifung der NSDAP. Er wird 1938 noch einmal zusammen mit seinem Lektor zur Reichsschrifttumskammer zitiert, danach taucht sein Name nicht mehr auf. Er muss dem von ihm beschriebenen Milieu sehr nahe gestanden haben, der Journalist und Autor Siegfried Kracauer schreibt, dass Haffner Journalist gewesen sei und insbesondere in Berlin-Mitte recherchiert habe.